Gefährdet
Meike Dannenberg

btb HC

Taschenbuch

ISBN 978-3-4427-1564-0

10,– € [D], SFr. 14,50 [CH], 10,30 € [A]

Die Kinder des Hamburger Reeders und Lokalpolitikers Justus von Stein werden bei eisigen Temperaturen in einen Container gesperrt. Doch es gibt keine Lösegeldforderung. Nora Klerner, Spezialistin des BKA für Verbrechen gegen Minderjährige, wird nach Hamburg beordert. Statt einer gepeinigten Familie erwartet sie in der weißen Alstervilla jedoch nur Misstrauen und aggressives Schweigen. Und was hat der Tod eines russischen Ex-Zuhälters mit der Entführung zu tun? Nora muss hinter eine großbürgerliche Fassade blicken, um eine fatale Verkettung von Ereignissen aufzuhalten ...

Meike Dannenberg

Meike Dannenberg

Meike Dannenberg, geboren 1974, wuchs in Hamburg auf, studierte in Lüneburg angewandte Kulturwissenschaften und ist seit 2003 als freie Journalistin und Redakteurin für verschiedene Medien tätig. Seit 2011 ist sie Redakteurin beim BÜCHERmagazin, leitet dort das Ressort "Krimi" und war verantwortlich für das Sonder-Magazin "KinderBÜCHER". Sie lebt mit ihrer Familie in Bremen.

Im Dezember 2016 erschien ihr erster Kriminalroman "Blumenkinder" bei Randomhouse/btb. Der zweite Band der Reihe um Kommissarin Nora Klerner vom BKA und Fallanalytiker Johan Helms erschien bei btb im Februar 2019.

 Im September 2024 erscheint "Die Ärztin - Gefährliche Nachtschicht" bei Lübbe

Foto: © Phil Porter

Gefährdet ist die Empfehlung der Woche der SYNDIKATs-Redaktion vom 17. Juni 2019.

Drei Fragen an Autorin Meike Dannenberg

Warum haben Sie sich für ein Leben mit dem Verbrechen entschieden?

Das Verbrechen hat sich wohl eher dafür entschieden, in mein Leben einzudringen! Ich wurde als Kind mit dem Mord an einem anderen Kind konfrontiert. In Hamburg gab es zu der Zeit, als ich Teenagerin war, eine große Kampagne gegen Zwangsprostitution und im Schanzenviertel, wo wir wohnten, gab es auch ein paar heruntergekommene Häuser, in denen Männer ein und aus gingen. Ich konnte meine Augen davor nicht verschließen, auch heute flipp ich bei Ungerechtigkeiten regelmäßig aus. Ich wünschte, das Verbrechen hätte mehr Abstand gehalten, hat es aber nicht und jetzt muss ich das ja irgendwie verarbeiten…

 

Was ist Ihre Lieblingstatwaffe?

Egal, Hauptsache, sie passt zu dem Charakter und Motiv des Mörders! An dem vielbemühten kreativen Psychopathen, der jedesmal eine andere perfide Todesart anbietet, kann ich mich nicht abarbeiten. Das ist mir, psychisch gesehen, zu langweilig...

Was haben Sie zu Ihrer Verteidigung zu sagen?

Schuldig im Sinne der Anklage. Wie lautet die genau?!

Rezensionen

"Wenn Sie Krimifan sind, müssen sie sich diesen Namen merken: Meike Dannenberg“
(Bremen Zwei)

"Mit ihrem zweiten Roman hat sich Meike Dannenberg in der deutschen Krimiszene endgültig einen Namen gemacht."
(Weser Kurier)

Leseprobe:

Livia lag in mehrere Lagen Wolldecken gehüllt am Boden und starrte vor sich hin. Ab und zu durchfuhr sie ein Zittern, und Lasse hatte Angst, dass sie immer kränker wurde. Er konnte nichts für sie tun, und in seinem Bauch rumorte es schmerzhaft, wenn er daran dachte, dass ihr Fieber steigen könnte. Auch ihm war kalt, und er fühlte sich immer schwächer und hatte Halsweh. Immer wieder kuschelte er sich an seine Schwester, murmelte beruhigend alle Erzählungen, doch sie reagierte nur schwach. Dann wieder saß er allein, die restlichen Decken fest um sich gezogen, den Rücken gegen die Wand des Containers gelehnt, in dem diffusen Dämmer tagsüber oder der Finsternis der Nacht, wie jetzt.
Die Zeit war endlos. Livia hatte angefangen, am Daumen zu nuckeln, etwas, das sie zuletzt als Kleinkind getan hatte. Lasse fand das nicht schlimm, wenn es sie beruhigte. Aber sie weinte jetzt vor Schmerz, wenn sie pinkeln musste. Verwirrt und ratlos starrte Lasse in die Dunkelheit. Er fühlte sich so allein, dass es körperlich schmerzte.
Er steckte sich ein Stück Schokolade in den Mund, doch es klebte an seinem Gaumen und schmeckte fast bitter. Es war, als passe inzwischen keine Nahrung an der Angst vorbei, die in seinem Hals saß wie ein Pfropfen.
Es dauerte alles viel zu lange und seit einiger Zeit wurde es kälter. Empfindlich kalt.
Er zog die Decken fester und bibberte. Er hatte versucht, näher an die winzigen Lamellen zu kommen und um Hilfe zu rufen, doch da war niemand, der ihn hörte. Keiner hatte auf sein Weinen reagiert. Oder Livias schreckliches Schluchzen, das manchmal einsetzte, einige Minuten andauerte und dann wieder verebbte. Danach starrte sie leer ins Dunkel, saugte an ihrem Daumen, die Augen panisch aufgerissen.
Lasse schniefte, die Kälte biss ihn in der Nase. Es war so oft still hier, nur ganz entfernt hörte er das Sirren von Motoren. Lasse dachte darüber nach, was er Livia morgen noch erzählen könnte. Jim Knopf, Die unendliche Geschichte, Warrior Cats. Harry Potter, immer wieder Harry Potter, aber ohne die grausamen Szenen, nur Quidditch und Zauberunterricht. Bloß kein Voldemort.
In der Unendlichen Geschichte hatte er den Geisterwolf weggelassen und selbst fast vor Angst geweint, als er ihm eingefallen war. Er hatte versucht, die Babygeschichten hervorzukramen, Grüffelo, Peppa Wutz. Warum fand er in seinem Kopf keine einzige heile Welt, in die er Livia mitnehmen konnte?
Erschöpft kaute er, schluckte, die Stille und Dunkelheit drückten wie ein Gewicht auf ihn, die Wände schienen immer näher zu rücken. Plötzlich kam ihm der Gedanke, es gäbe vielleicht gar keine Welt mehr. Alles sei ausgelöscht, wie bei einem Atomkrieg oder in Phantásien. Dass das Nichts Mama, Papa, sein Zuhause, die Schule, die Großeltern und Felicitas aufgefressen hätte. Er schniefte. Sie hätten doch sonst längst frei sein müssen, oder nicht?