Darmstädter Nachtgesänge
Ella Theiss

Edition Oberkassel

Taschenbuch

ISBN 978-3-9581-3232-0
Originalauflage

13,– € [D], 13,40 € [A]
Großherzogtum Hessen-Darmstadt, Vormärz (1834–1836)

Ein gräflicher Förster liegt erschlagen im Wald, und Jacob Trumpfheller, der ewige Holzräuber und Wilderer, wird als Mörder ins Kittchen gesteckt. Die Hinrichtung scheint ihm gewiss. Aber er war’s nicht, glaubt Anna, Hausmädchen bei den Büchners in Darmstadt. Ihr Cousin Rodrich muss es gewesen sein, dem sie mit Rücksicht auf ihre Familie ein falsches Alibi gegeben hat.

Was jetzt? Jacob muss geholfen werden. Anna wendet sich an Oscar Weiß, den komischen Kauz von nebenan, der der Büchner-Tochter Mathilde schöne Augen macht. Außerdem ist er Journalist bei der Großherzoglichen Zeitung und könnte etwas bewegen. Dumm nur, dass der Mann als Spitzel auf den ältesten Sohn der Büchners, den ebenso freundlichen wie gescheiten Studenten Georg angesetzt ist. Denn Georg schreibt Sachen, die vor aller Welt versteckt werden müssen, besonders dieses Flugblatt mit der Überschrift „Friede den Hütten, Krieg den Palästen“. Fort damit! Zumal einem armen Teufel wie Jacob Trumpfheller und einem mittellosen Hausmädchen wie Anna mit all den Sprüchen nicht zu helfen ist. Oder doch?

Ein tragikomischer Biedermeier-Roman rund um einen authentischen Kriminalfall.
Ella Theiss

Ella Theiss

Ella Theiss lebt in der Nähe von Darmstadt. Sie hat Germanistik und Sozialwissenschaften studiert, anschließend rund zwanzig Jahre unter ihrem Klarnamen Elke Achtner-Theiss als Redakteurin und Texterin gearbeitet, insbesondere im Themenbereich Bio-Lebensmittel. Sie war unter anderem Chefredakteurin der Bio-Zeitschriften Schrot&Korn und ReformhausKurier. Seit 2008 schreibt sie auch Romane und Erzählungen. Sie erhielt viele  Preise und Auszeichnungen, unter anderem den QuoVadis-Kurzgeschichtenpreis 2013 für ihren historischen Kurzkrimi "Das Hurenkind". Mit ihrer Erzählung "Sehnsucht" war sie 2017 für den Friedrich-Glauser-Preis in der Kategorie Kurzgeschichten nominiert.

Pressestimmen:

„... ein stimmiger historischer Kriminalroman, der treffendes Zeit- und Lokalkolorit bietet und mit gekonnt geführtem Spannungsbogen zu überzeugen weiß.“ Darmstädter Echo, Mai 2021

„… mit wunderbarer Sprache, in die biedermeierliches Vokabular eingeflochten ist, mit Zitaten aus zeitgenössischen Dokumenten und im Detail sensibel nachempfundenem Zeitkolorit, zeichnet Ella Theiss ein ungemein lebendiges griffiges Bild jener Phase des Aufbruchs." Musenblätter, Juni 2021

Gewinnspiel

Verlost werden drei Exemplare der „Darmstädter Nachtgesänge“, auf Wunsch signiert. 

Fragen zum Gewinnspiel:  

Georg Büchner hatte eine jüngere Schwester, eine spätere Frauenrechtlerin, die im Roman mehrere Auftritte hat. Wie hieß sie? Und wie alt wäre sie 2021 geworden?

Mail hierhin.

ein exklusives Interview mit der Redaktion des SYNDIKATS

Welches ist dein Lieblingskrimi?

Dostojewskis „Die Brüder Karamasow“

Warum bist du im Syndikat?

Schreiben ist ein einsames Geschäft. Da ist es fast lebensnotwendig, mit sympathischen Kolleginnen und Kollegen Kontakt zu halten. Und das Syndikat ist ja voller sympathischer Leute. 

Dein Lieblingswort?

Tragikomik

Wo findest du Ruhe?

An meinem Schreibtisch.

Wo findest du Aufregung?

Auch an meinem Schreibtisch.

Leseprobe

Auszug aus der 1. Szene

So weit ist er noch nie gekommen. Dieser Teil des Walds scheint unberührt. Nester erfrorener Stockschwämmchen kleben auf moderndem Holz. Derart viel Wald hat der Graf, dass er nicht einmal die Pilze einsammeln lässt. Allein mit dieser Masse an Stockschwämmchen hätte die Mutter Suppe fürs ganze Dorf kochen können. 

Da! Ein Rascheln, das Knacken kleiner Äste, wieder Rascheln. Erst weitab. Nun näher. Ein Wildschwein? Er wartet hinter einer dicken Eiche, späht in alle Richtungen, das Beil schlagbereit in der Rechten. 

Kein Wildschwein. Ein Mann. Keinen Steinwurf entfernt. Ist in einen grauen Überwurf gehüllt, duckt sich hinter eine verwachsene Kiefer, starrt ihm entgegen. Unter einem tief in die Stirn gezogenen Schlapphut, wie er selbst einen trägt, blitzt das Weiße wie Angst aus seinen Augen. 

Was soll der arme Teufel anderes hier wollen als er? Also nur Mut. Er tritt hinter der Eiche vor, lächelt breit, so breit, dass der andere seine Zähne erkennen muss, hebt die Hand zum Gruß und wendet sich ab. Geht ein paar Schritte ohne Eile. Nach Nordwesten, wie er beschlossen hat, wirft über das geschulterte Beil hinweg einen Blick zurück. 

Der andere hat verstanden, tippt sich mit den Fingern an die Hutkrempe, wendet sich nach Osten. Der Wald ist groß genug für sie beide. 

Kein Rascheln mehr. Er atmet auf, sucht sich dort, wo viele junge Buchen beisammenstehen, eine aus. Einen Fuß Durchmesser darf die Stange haben, mehr nicht. Und drei Ellen lang darf sie höchstens sein. Sonst schafft er sie nicht nach Hause. So eine Buchenstange gibt Glut für drei Abende und für eine schöne Kohlsuppe.

Er zieht die Fellhandschuhe aus, fasst das Beil mit beiden Händen, holt aus, schlägt zu. 

(…)

Ein Schrei durch die Stille. Heiser und dumpf. Ein Reh vielleicht. Er schultert die Stange mit einem Hauruck, will davon gehen. Wieder ein Schrei, nein, Gebrüll. Das ist kein Reh, das ist ein Mensch … der ruft, kommandiert. Etwas wie Halt! … Etwas wie Stehnblei-ben! … Ein Schuss? War das ein Schuss? Jetzt ein Greinen, unbändig wie vor Schmerzen. Langgezogen, quälend langgezogen … Das Greinen erstirbt. Nur noch Stille. 

Kein Zweifel, die Förster haben den anderen erwischt. Den mit dem Schlapphut, wie er selbst einen trägt. Gleich werden sie hier sein, werden auch ihn erwischen. 

Er lässt die Buchenstange fallen, ebenso das Beil, er hetzt davon, die Arme vor dem Gesicht gekreuzt, um es vor dornigem Gestrüpp zu schützen. Er stolpert über Baumwurzeln, stürzt, rappelt sich auf, tritt in Morast, versinkt bis zum Knöchel, befreit sich, rutscht auf nassem Laub aus, stürzt noch einmal, diesmal mit dem Knie auf einen Gesteinsbrocken. Er blutet, egal, nur weiter! 

Endlich gelangt er zur Chaussee. Festgetretener Schotter, ein bequemer Weg. Rechts geht es nach Momart, links nach Weiten-Gesäß. Nur ein Pferdefuhrwerk ist unterwegs, verschwindet hinter der Kurve am Hang.

Ruhig jetzt, ganz ruhig. Durchatmen, sich die Holzspäne und das Laub vom Mantelsaum klopfen, die schlammigen Moosfetzen von den Stiefeln wischen. Mit dem zerknüllten Hut in der Tasche gelassen weitergehen. Er ist ein Tagelöhner, der von der Arbeit kommt. Ein armer, aber rechtschaffener Mann auf dem Heimweg. Ein Niemand. 

Termine

Wann Was Wo
16. Mai 24
18:30 Uhr
Die langen Nächte der Verbrechen - Früher war alles besser?
Gemordet wurde immer. Historische Krimis belegen es.
Kulturzentrum Pavillon - Bühne 1
30161 Hannover