Zürcher Verrat
Kriminalroman
Gabriela Kasperski
Emons Verlag
Taschenbuch
Absolut fesselnd und eindringlich erzählt.
Auf dem Sechseläutenplatz werden unter freiem Himmel Opernarien live übertragen.
Im Publikum befinden sich auch Kommissar Werner Meier und Zita Schnyder, aber die Freude über das musikalische Schauspiel wird jäh unterbrochen, als ein Mann tot aufgefunden wird. Zeugen wollen die Chorleiterin Lou Müller als Täterin erkannt haben. Lou flüchtet, und eine Verfolgungsjagd beginnt, auf der Meier und Schnyder eine düstere Geschichte aufdecken, deren Ursprung im Zürich des Zweiten Weltkriegs liegt.

Gabriela Kasperski
Gabriela Kasperski absolvierte ein Studium der Anglistik, war als Radio- und TV-Moderatorin und Schauspielerin tätig. Heute schreibt sie Krimis, Kinderromane und Drehbücher, Adaptionen für Film und Fernsehen,und arbeitet als Sprecherin, Regisseurin und Expertin. Sie lebt mir ihrer Familie in Zürich.
Fragen der SYNDIKATS-Redaktion an Gabriela Kasperski
Wo schreibst du am liebsten?
Am Küchentisch.
Welcher ist dein Lieblingskrimi?
Da gibt es viele. Ich lese Krimis, um mich zu inspirieren, um zu lernen, um zu erfahren und for Fun.
Dein Lieblingskollege/Lieblingskollegin?
Petra Ivanov.
Warum bist du im SYNDIKAT?
Solidarität.
Dein Lieblingswort?
Genau. 😊
Dein Sehnsuchtsort?
Camaret-sur-Mer, what else?
Dein Lieblingsgetränk?
Schwarztee mit Milch.
Dein Lieblingsmord?
Wenn ich es hinkriege, keinen Mord drin zu haben und doch alle das Gefühl haben, es hätte einen gegeben.
Wo findest du Ruhe?
Beim Schreiben.
Wo Aufregung?
Beim Schreiben.
Leseprobe
Ein Duett von Geigen und Fagott, dazu die Holzbläser und
eine Fanfare. Die fliehende Klarinette, schließlich die Blechbläser mit voller Wucht und darüber schwebend die Violine. Macbeth, die Oper von Verdi. Nach all den Hindernissen
begann sie pünktlich, Klock acht. Wuchtig, allumfassend.
Meier stand in der Direktionsloge ganz hinten an der Wand,
vor ihm der blonde Wuschelkopf von Samu Müller, Lous
Sohn, extra für die Vorstellung hatte er die Kapuze runtergezogen.
Wenn er sich auf die Zehen stellte, konnte er den
Dirigenten sehen. Vom ersten Takt an flog das Orchester davon,
dass es eine Freude war. Nach dem Ende der Ouvertüre
stolzierten die Hexen auf die kahle Bühnenschräge. Sie hatten
die Gestalt von Raben und verschmolzen mit dem Hintergrund,
um den beiden Feldherren Macbeth und Banquo Platz
zu machen. Eine Flöte verbreitete prickelndes Adrenalin.
Meier löste sich vom Bühnengeschehen und ließ seinen
Blick über die Publikumsreihen gleiten, er war als Polizist
hier und nicht als Zuschauer. Na ja, vielleicht ein wenig von
beidem. Das Haus platzte aus allen Nähten, selbst die Notsitze
waren besetzt. Beim Eingang unten links sah er Serge,
in einem braunen, etwas eng sitzenden Anzug, ganz hinten
eine Security-Person, ebenfalls im Anzug. Ein Knacken in
seinem Ohr, da, wo der Sender saß.
»Hinter der Bühne ist alles in Ordnung. Der Metrochor
macht sich bereit.«
Nun hatte Lady Macbeth ihren Auftritt. Brief lesen, Plan
schmieden, den Mann überreden, den Rivalen zu töten. Schuld
daran ist die Prophezeiung der Hexen. Wir waren’s nicht,
nicht wir, die waren’s. Noch nie hatte Meier diese Geschichte
von Rache und Täuschung, von Feigheit und Tod so plausibel
erzählt gesehen. Han Ly war wirklich eine Meisterin ihres
Fachs! Eines führte zum anderen, mit einer Unausweich-
lichkeit, die ihn schaudern ließ. Macbeth, angefeuert von der
Lady, ermordet Banquo. Auftritt des Chors, dirigiert von der
unsichtbaren Mieke Jansen, die Lou Müller vertrat. Hinten
wurde der Berg hochgefahren. Groß und hoch, ein Schweizer
Urgestein, und ganz oben thronte die Roncalli. Er hätte
sie nicht erkannt, sie sah richtig fürchterlich aus, die Maske
hatte noch mal kräftig zugelangt. Von beiden Seiten und von
hinten kamen die schwarz gekleideten Figuren in den unendlichen
Raum, halb schreitend, halb schwebend, der Gesang
so gigantisch, dass er den Zuschauerraum sprengte. Bis alles
auf einen Schlag verstummte. In die ohrenbetäubende Stille
ertönte eine Violine wie ein Zwitschern. Nun wuselten einige
Fledermäuschen auf die Bühne, schillernde Flecken in dem
Meer von Schwarz. Sie flogen singend von Mensch zu Mensch,
um schließlich Macbeth und die Lady zu umschwirren. Das
Publikum war bezaubert, Lachen war zu hören, Erleichterung
machte sich breit. Vielleicht stünde Banquo ja gleich wieder
auf, und Macbeth würde den Scherz zugeben. Die Blechbläser
setzten ein, und die Kinder wurden wegkatapultiert. Die
kleinste der Fledermäuse hielt ihre Hände wie Muscheln an
die Ohren. Meier kannte diese Haltung sehr genau. Selbst im
Schlaf hielt Lily ihre Hände so. Schtärnesiech! Was machte
sie hier? Warum war sie nicht zu Hause im Bett? Und wo war
ihre Mutter?