Todesdorf
Eva Reichl

Gmeiner-Verlag

Taschenbuch

ISBN 978-3-8392-0203-6
2022. Auflage

13,50 € [D], SFr. 19,90 [CH], 14,– € [A]
Ein Schuss in der Dunkelheit. Diana findet ihren Mann verblutend in der Scheune. Die Polizei geht von Selbstmord aus, doch Diana glaubt nicht daran. Auf eigene Faust macht sie sich auf die Suche nach seinem Mörder, ganz auf sich allein gestellt, mit immer weniger Freunden - und immer mehr Feinden. Gequält von Selbstzweifeln und dunklen Geheimnissen.
Ein idyllisches Dorf. Heimat, die zum feindlichen Ort wird. Eine Familie, der man nicht trauen kann. Und die wahre Bedrohung ist viel näher, als du fürchtest.
Eva Reichl

Eva Reichl

Eva Reichl wurde in Kirchdorf an der Krems in Oberösterreich geboren. Schon früh zog sie sich in die Welt der Bücher zurück. Sie liebte es bereits als Kind, in andere Welten abzutauchen, ob in fremde oder in selbst erfundene. Nach einer kaufmännischen Ausbildung und einer Beschäftigung als Controllerin fand sie im Jahr 2007 in diese Welt zurück. Vom Leser zum Schriftsteller geworden, schreibt sie überwiegend Kriminalromane und Kindergeschichten. Mit ihrer neuen Mühlviertler-Krimiserie verwandelt sie ihre Heimat, das wunderschöne Mühlviertel, in einen Tatort getreu dem Motto: Warum in die Ferne schweifen, wenn das Böse liegt so nah.

Eva Reichl lebt mit ihrem Mann und den beiden Töchtern in Ried in der Riedmark.

Zwischen ihren Schreibphasen findet Eva Reichl Zeit zum Malen. Im Augenblick konzentriert sie sich auf das Verbinden der Malerei mit dem geschriebenen Wort. Fanden sich in den vergangenen Jahren vereinzelt Elemente der Schriftstellerei in einem ihrer Bilder, so wuchs dieser Teil in jüngster Zeit zu einem gewichtigen Bestandteil.

Eva Reichl ist Mitglied im Syndikat, den Mörderischen Schwestern und den österreichischen KrimiautorInnen.

Ein exklusives Interview mit der Autorin Eva Reichl

Warum bist du im SYNDIKAT?

Weil ich den bunten Haufen aus Kreativen und Mordlustigen liebe.

Was sollen die LeserInnen über dich unbedingt wissen?

Dass ich eigentlich ein lieber und netter Mensch bin und mir die Morde in meinen Büchern nur ausdenke, damit ich meine Leserinnen und Leser gut unterhalten kann.

Was dürfen die LeserInnen über dich auf gar keinen Fall wissen?

Dass ich kein Blut sehen kann, dann wird mir nämlich übel.

Wo schreibst du am liebsten?

Im Büro, weil es dort am bequemsten ist. Ich schreibe aber auch während ich koche, wenn ich einkaufe, wenn ich im Garten bin. Eigentlich überall, wo mir etwas einfällt, das ich unbedingt festhalten will. Ich habe auch immer Schreibzeug bei mir, ohne gehe ich nicht aus dem Haus.

Was möchtest du in der Welt gerne ändern?

Dass nicht nur Macht und Geld die Welt regieren.

Was soll so bleiben wie es ist?

Dass jeden Tag die Sonne aufgeht.

Leseprobe

  1. Kapitel

Ich starrte in das Dunkel des Schlundes. Dort liegst du nun, dachte ich und fühlte nichts. Meine Hände waren taub, meine Knie drohten einzuknicken, mein Herz war mit dir gestorben. Obwohl ich an deinem Grab stand, in das sie dich eben hinabgelassen hatten, existierte auch ich nicht mehr.

Der Lehm vermischte sich mit dem Himmelsnass. Es regnete schon seit Tagen – dem Anlass entsprechend, wie ich fand. Jemand hielt mir einen Schirm über den Kopf, dennoch erreichten meine Haut einzelne Regentropfen. Sie fühlten sich wie Geschosse der Wirklichkeit an. Ich wünschte, es wären tödliche Kugeln, die mich diesem unsäglichen Leid entrissen. Doch ich stand immer noch da.

Zwei Wochen war es nun her, seit du gestorben warst. Ich hatte dich nicht gleich beerdigen können, weil die Gerichtsmedizin deinen Leichnam nicht freigegeben hatte.

Die Musik begann zu spielen und ich schreckte hoch. Mein Vater hielt es für ein Zittern und legte den Arm um mich, unbeholfen wie eh und je. Ich wollte diese Berührung nicht, fühlte mich dadurch wie ein Stück Treibholz, das durch den Rechen des Kraftwerkes gehindert wurde, seinen vorbestimmten Weg weiterzuschwimmen. Auf den Wellen zu schaukeln wie ein Boot aus Papier, das ein Kind gebastelt und losgeschickt hatte, um die Welt zu erkunden, das aber bereits nach wenigen Metern sank. Ich wagte nicht, mich vom Arm meines Vaters zu befreien und einen Schritt zur Seite zu treten, denn dort stand meine Mutter. In Schwarz gekleidet und leise schluchzend. Sie schien nicht gefühllos zu sein wie ich. Ihr Herz funktionierte noch. Sie weinte um dich, wie ich es in den letzten beiden Wochen getan hatte. Jetzt hatte ich keine Tränen mehr.

Unzählige Augenpaare waren auf uns gerichtet. Auf mich. Dich in dem hölzernen Sarg. Deine Mutter. Meine Familie. Ich versuchte, die Menschen zu zählen, die gekommen waren, weil sie sehen wollten, wie du in die Erde hinabgelassen wurdest, um dort zu verrotten. Es gelang mir nicht, es waren zu viele. 

Du musstest sehr beliebt gewesen sein, schoss es mir durch den Kopf. Oder waren diese Menschen hier, um sich an meinem Leid zu ergötzen? Um nicht zu verpassen, wie sie zusammenbrach, die arme Diana, die nicht an den Selbstmord ihres Ehemannes glauben wollte?

Du hättest dich erschossen, hatten sie mir gesagt. Und behaupteten es immer noch. Ich konnte das tatsächlich nicht akzeptieren.

Wir waren glücklich gewesen. Vier Jahren lang. Da hätte ich doch bemerken müssen, wenn du kurz vor dem Abgrund gestanden wärst. Wenn du deinem Leben ein Ende hättest setzen wollen. 

Aber da war nichts gewesen, kein Anzeichen.

Nichts.

Deine Lebensfreude war erst mit deinem letzten Atemzug aus dir gewichen. Nicht freiwillig, das war mir klar. Irgendjemand hatte sie dir brutal aus dem Leib gerissen, nur das ergab für mich überhaupt einen Sinn. Alles andere ließe mich wahnsinnig werden …

Die Musik endete, und der Pfarrer sprach ein paar tröstliche Worte. Von einem Wiedersehen und einem Leben im Himmel war die Rede. Dass du dort auf uns warten würdest, bis unser Tag käme. Dass Gott auf uns achtgebe und uns beistehe in dieser schweren Zeit. Dass wir nicht allein seien.

Ich war allein.

Seit dem Tag, an dem du mich verlassen hattest, war ich nur mehr ein Schatten meiner selbst, vollgepumpt mit Beruhigungsmitteln, die mir der Arzt verschrieben hatte, nachdem ich dich gefunden hatte und neben dir zusammengebrochen war.

Ich hatte den Knall gehört. Laut war er gewesen, alarmierend, obwohl es hin und wieder vorkam, dass ein Schuss die Stille des Dorfes zerriss, weil ein Jäger im nahegelegenen Wald auf Wild feuerte.

Dieses Mal war es anders gewesen.

Die Dunkelheit der Nacht hatte den Schuss lauter wirken lassen, er hatte die ländliche Idylle regelrecht zerfetzt.

Ich war nach draußen gelaufen, hatte mich umgesehen und versucht, die Ursache für mein Herzrasen zu erspähen. Ich war zur Scheune geeilt, obwohl ich nicht gewusst hatte, weshalb, wahrscheinlich war ich meinem Instinkt gefolgt. Dort hattest du auf dem Rücken gelegen, die Augen auf die Holzbretter über dir gerichtet. Bestimmt hättest du gerne die Sterne betrachtet, wärst mit ihnen in die Weite des Weltalls geflogen, doch die hölzerne Decke der Scheune hatte deinen Blick nicht bis zum Firmament schweifen lassen. Aus deinem Hals und deinem Kinn war Blut geflossen, war gesprudelt wie Wasser aus einer frisch geschlagenen Quelle. Als ich meine Hand daraufgedrückt hatte, war es zwischen meinen Fingern pulsierend hindurchgequollen. Einmal, zweimal, immer wieder im Takt deines Lebensrhythmus. Ich hatte nicht mitgezählt, hatte verzweifelt versucht, deinen letzten Blick einzufangen.