Mühlviertler Blut
Kriminalroman
Eva Reichl
Gmeiner-Verlag
Taschenbuch
Der Liebenauer Priester wird im Gotteshaus tot aufgefunden. An seinem Hals befinden sich zwei Einstichmale. Boden, Altar und Soutane sind mit Blut besudelt. Als Chefinspektor Oskar Stern zum Tatort gerufen wird, hat sich die Kunde über einen Vampirmörder längst verbreitet. Beinahe zeitgleich wird in Linz ein Weinhändler ermordet. Auch seine Leiche ist blutleer. Ist der Täter tatsächlich ein Vampir, so wie die Liebenauer Bevölkerung vermutet? Mit Knoblauch und Weihwasser bewaffnet, macht sich Oskar Stern daran, dem Vampirmörder das Handwerk zu legen.
Eva Reichl
Eva Reichl wurde in Kirchdorf an der Krems in Oberösterreich geboren. Schon früh zog sie sich in die Welt der Bücher zurück. Sie liebte es bereits als Kind, in andere Welten abzutauchen, ob in fremde oder in selbst erfundene. Nach einer kaufmännischen Ausbildung und einer Beschäftigung als Controllerin fand sie im Jahr 2007 in diese Welt zurück. Vom Leser zum Schriftsteller geworden, schreibt sie überwiegend Kriminalromane und Kindergeschichten. Mit ihrer neuen Mühlviertler-Krimiserie verwandelt sie ihre Heimat, das wunderschöne Mühlviertel, in einen Tatort getreu dem Motto: Warum in die Ferne schweifen, wenn das Böse liegt so nah.
Eva Reichl lebt mit ihrem Mann und den beiden Töchtern in Ried in der Riedmark.
Zwischen ihren Schreibphasen findet Eva Reichl Zeit zum Malen. Im Augenblick konzentriert sie sich auf das Verbinden der Malerei mit dem geschriebenen Wort. Fanden sich in den vergangenen Jahren vereinzelt Elemente der Schriftstellerei in einem ihrer Bilder, so wuchs dieser Teil in jüngster Zeit zu einem gewichtigen Bestandteil.
Eva Reichl ist Mitglied im Syndikat, den Mörderischen Schwestern und den österreichischen KrimiautorInnen.
Mühlviertler Blut ist die Empfehlung der Woche der SYNDIKATs-Redaktion vom 12. November 2018.
Drei Fragen an Autorin Eva Reichl
Wann begann Ihre kriminelle Laufbahn?
Als ich merkte, dass Lesen allein nicht glücklich macht und ich oftmals ganz anders „gemordet“ hätte als meine lieben Kollegen.
Was haben Sie zu Ihrer Verteidigung zu sagen?
Ich war’s nicht.
Warum haben Sie sich für ein Leben mit dem Verbrechen entschieden?
Weil man damit durchkommt. Weil es ein Nervenkitzel ist. Weil es süchtig macht.
Leseprobe:
»Dann lassen Sie uns ans Werk schreiten«, sagte Chefinspektor Oskar Stern und ging auf das Portal der Kirche zu. Die neugierigen Blicke der Liebenauer folgten ihm. Sie schienen sich zu fragen, was denn so Entsetzliches in ihrem Gotteshaus geschehen war, dass die Kripo aus Linz anrücken musste. Denn natürlich wusste man, dass jemand dahingeschieden war. So etwas ließ sich in so einem kleinen Ort nicht verheimlichen. Liebenau zählte gerade mal an die 1.600 Einwohner, je nach- dem, wie viel gerade geboren und gestorben wurde. Aber wer das Zeitliche gesegnet hatte, und vor allem, warum er es getan hatte, wollte man halt auch erfahren.
»Um wen handelt es sich bei dem Toten?«, fragte Stern den Revierinspektor.
»Um den Pfarrer«, antwortete Plattlbauer diensteifrig.
»Den Pfarrer?« Grünbrecht blieb stehen und starrte den ländlichen Kollegen an. Mit allem hatte sie gerechnet, aber nicht damit, dass sie gleich die Leiche eines Priesters sehen würden.
»Äh … ja, der Pfarrer«, wiederholte Plattlbauer.
»Was kann ein Pfarrer denn schon angestellt haben, dass er Opfer eines Gewaltverbrechens wird?« Es war Grünbrecht anzusehen, dass ihr die Vorstellung, im Fall eines ermordeten Mannes Gottes zu ermitteln, nicht sonderlich behagte.
»Ein Pfarrer ist auch nur ein Mensch, Grünbrecht. Und alle Menschen sündigen. Die einen mehr, die anderen weniger«, erwiderte Stern und übertrat achtlos die Kirchenpforte, während Plattlbauer und Grünbrecht ihre Finger im Weihwasserbecken versenkten und sich bekreuzigten. Ein Blick nach vorne in den Altarraum ließ Stern jedoch wünschen, er hätte es ihnen gleichgetan. Ein Kreuzzeichen war hier mehr als angebracht. Jedoch helfen würde es auch nichts mehr.
»Um Gottes willen!« Dieser Ausruf sprang dem Chefinspektor wie ein Ziegenbock über die Lippen.
»Ich glaube kaum, dass das etwas mit dem Willen Gottes zu tun hat«, sagte Grünbrecht voller Abscheu.
Stern pflichtete ihr stumm bei, während sie das Kirchenschiff durchquerten und näher zum Altarraum vorrückten. Vor dem neuromanischen Hochaltar mit erhöhter Mitte im Rundbogenstil lag auf dem Tisch des Herrn eine Leiche – nach der Aussage des Revierinspektors der hiesige Pfarrer. Stern hatte schon allerlei gesehen, auch auf die brutalste Weise dahingemetzelte Menschen, die oftmals zerstückelt worden waren oder die unterschiedlichsten Verwesungsgrade aufwiesen. Aber eine derartige Inszenierung eines Leichnams war ihm, seit er bei der Kriminalpolizei beschäftigt war, nur selten untergekommen.
Der Mörder hatte den Pfarrer von den Füßen an bis zum Hals mit einem Seil eingewickelt. Stern schoss der Vergleich mit der Beute einer Spinne durch den Kopf, die ihre Opfer mit ihrem seidenen Faden umwickelte und auf diese Weise für später aufbewahrte. Ein absurder Vergleich zwar, der auch aus einem Film wie »Spiderman« oder »Die Mumie« stammen könnte, musste Stern zugeben, dennoch war auch der Pfarrer durch diese Darstellung zu jemandes Beute erklärt worden. Das Priestergewand hatte man der Leiche unter dem Seil um den Leib gewickelt, so als wäre der Mörder bemüht gewesen, den Priester nicht kompromittierend für die Augen Fremder zurückzulassen. Die Augen weit aufgerissen und ebenso den Mund, starrte der Tote ins Leere, dorthin, wo nur noch der Teufel und sein Gefolge zugegen waren. Eingetrocknetes Blut überdeckte Hals und Gesicht. Der Kollar, ansonsten strahlend weiß, war braun und fleckig. Im schwarzen Gewand des Priesters konnte Stern das Blut auf den ersten Blick hin nicht ausmachen, aber er war sich sicher, dass die Spurensicherung eine Menge fände. Die Beine des Priesters hingen auf der rechten Seite des Altars hinunter. Am Boden des Altarraums breitete sich unter dem Haupt eine große Blutlache aus, als hätte man den Priester hier abgelegt, um ihn ausbluten zu lassen. Ein Spritzmuster rund um den Altar ließ den Chefinspektor wissen, dass ihm die Verletzungen am Hals, die wahrscheinlich zum Tod geführt hatten, hier zugefügt worden waren, und die Fesselung dazu gedient hatte, dass sich das Opfer nicht hatte wehren können. Der Fundort war demnach auch der Tatort. Aber das mussten Weber und die Spurensicherung noch bestätigen.