Abendfrost
Michael Kibler

Piper

Taschenbuch

ISBN 978-3-4923-1386-5

14,– € [D], SFr. 19,50 [CH], 14,40 € [A]

Eine tote alte Dame in einem Seniorenstift – offenbar mit einem Schal erstickt. Der Fall scheint einfach zu sein für Steffen Horndeich und Leah Gabriely von der Darmstädter Mordkommission: Anscheinend hatte es jemand auf das reichlich vorhandene Bargeld der Dame abgesehen. Doch dann macht der Rechtsmediziner eine Entdeckung, die diese Theorie über den Haufen wirft. Und die Ermittler müssen sich bald fragen, ob der Mord die Tat eines Serienkillers war. Noch undurchsichtiger wird der Fall schließlich, als auch noch ein Pfleger des Seniorenstifts erdrosselt wird. Horndeich und Gabriely stehen vor verworrenen Ermittlungen …

Michael Kibler

Michael Kibler

geb. 1963, studierte Germanistik in Frankfurt. Magister 1991, Promotion 1998. Seit 1992 der schreibenden Zunft zugehörig, zunächst als Autor von Groschenromanen bei Bastei. Ab 1997 Texter und PR-Profi, seit 2005 auch Krimischriftsteller. Er schreibt Kriminalromane um den Darmstädter Ermittler Steffen Horndeich: akutell "Bittere Lüge" (Nov. 2023).

Abendfrost ist die Empfehlung der Woche der SYNDIKATs-Redaktion vom 19. November 2018.

Drei Fragen an Autor Michael Kibler

Wann begann Ihre kriminelle Laufbahn?
Wenn ich meinen Eltern Glauben schenken darf, dann sehr früh, mit räuberischer Erpressung: Zugriff auf die Gummibärchentüte im Supermarktregal, Androhung vom sirenenartigem Gebrüll bei Wegnahme. Hat nicht wirklich Funktion irrt. Habe mich deshalb lieber aufs Krimischreiben verlegt.

Was ist Ihre Lieblingstatwaffe?
Das Wort. Funktioniert in Überdosierung durchaus auch als Mordwaffe: blutende Ohren überlebt niemand lang.

Was haben Sie zu Ihrer Verteidigung zu sagen?
Da lasse ich lieber mein Anwalt für mich sprechen. Zweimal Zuchthaus sind genug.

Rezensionen

„Michael Kibler zeichnet seine Figuren mit wenigen Strichen und vermeidet dabei die üblichen Klischees. Die Guten haben auch schwarze Flecken in ihrem Wesen, den Unsympathischen kann man doch noch etwas abgewinnen, die Bösen sind keine Bestien. Das ist erfrischend.“ (hessenschau.de (hr online) zu „Seelenraub“)

„Kibler vermag in einer bildhaften und detailreichen Sprache seine Leser mit auf die Spurensuche zu nehmen.“ (Frankfurter Neue Presse zu „Totensee“)

Leseprobe:

Es war die unbequemste Couch, auf der sie je gelegen hatte. Wahrscheinlich von einem Orthopäden gespendet, der sich erhoffte, auf diese Art und Weise neue Kunden unter der stattlichen Zahl von Polizeibeamten zu akquirieren.
Leah Gabriely wälzte sich auf die andere Seite. Dabei rutschte ihr die Decke vom Körper. Verhalten fluchend tastete sie mit der rechten Hand auf dem Boden herum, bis sie den Überwurf wieder zu fassen bekam.
Es dauerte eine weitere halbe Minute, bis sie Decke, Kissen und ihre langen Haare so weit sortiert hatte, dass an eine erneute Mütze Schlaf zu denken war. Bald wäre die Nachtschicht zu Ende, und sie war froh, dass man ihr ein wenig Ruhe zugestanden hatte. Im vergangenen Jahr hatten sie hier im Polizeipräsidium Südhessen einen Kriminaldauerdienst eingerichtet. Immer mit von der Partie: ein Kollege von K10, der Mordkommission. Heute hatte es sie getroffen. Und Nachtschichten waren ihr ein Graus.
Die Nacht war geruhsam verlaufen, sodass Leah sich um zwei Uhr in den Nebenraum hatte zurückziehen dürfen, um sich etwas auszuruhen. Das gelang allerdings nur, wenn man sich auf irgendeine Weise mit dem Sofa zu arrangieren wusste. Gleich nach der ersten Nacht, in der sie gegen die Couch gekämpft und eine bittere Niederlage hatte einstecken müssen, hatte sie eine zweite dicke Wolldecke mitgebracht. Die dämpfte die Attacken der drei fast bloßliegenden Sprungfedern gegen Pobacke, Hüftknochen und die dritte oder vierte Rippe, je nachdem, wie man den Körper zu posieren versuchte.
Kaum war sie wieder in jene Grauzone zwischen Wachen und Schlafen hinabgeglitten, die in wenigen Sekunden zu Tiefschlaf geführt hätten, flog die Tür auf, und das Deckenlicht tauchte den Raum in gleißendes Neonlicht: „Leah, wir müssen los. Eine tote Frau, vielleicht Fremdeinwirkung.“
Der Störenfried hieß Friedrich Wayne. Er war noch nicht sehr lange dabei, aber den Spitznamen John hatte er bereits weg. Auch wenn er in seiner Statur und seinem Gang dem Hollywood-Westernstar kaum glich.
Leah schlug die Decke zurück, schälte sich aus der unter Mühe hergestellten bequemen Liegeposition. Im Raum befand sich ein Waschbecken, darüber ein Spiegel, in dem sie, wenn schon nicht das gesamte Outfit, so doch zumindest ihr Gesicht kritisch beäugen konnte. Mit wenigen, geübten Handgriffen hatte sie die Haare durchgekämmt und den Dutt gesteckt. Den Rock hatte sie abgelegt, um es etwas bequemer zu haben. Also, hinein in den Rock, hinein in die Schuhe – dann war sie gerüstet. Ihr Blick fiel auf das Handy. Es war viertel nach fünf.